Ansprache des Großerzbischofs der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, S.S. Svyatoslav Schevckuk

Kyiv, den 22.02.2022
Aus.: ВА 22/048

Ansprache des Großerzbischofs der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, S.S. Svyatoslav Schevckuk,
an die Söhne und Töchter des ukrainischen Volkes in der Ukraine und in deren Siedlungsgebieten und an alle Menschen guten Willens

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Anerkennung der „Unabhängigkeit und der Souveränität“ der selbsternannten Volksrepubliken von Donezk und Luhansk durch den russischen Präsidenten stellt die internationale Gemeinschaft und das Völkerrecht, nach dem die Völker und ihre Staaten sich heute richten, vor ernste Herausforderungen. Der eigentlichen Logik der zwischenstaatlichen Beziehungen, die dazu berufen sind, für Frieden, Rechtsstaatlichkeit, Rechenschaftspflicht der Regierung, den Schutz des Menschen, seines Lebens und seiner natürlichen Rechte zu sorgen, wurde unwiderruflicher Schaden zugefügt. Heute ist die Menschheit in die Gefahr geraten, dass das Recht des Stärkeren sich durch die Vernachlässigung der Rechtskraft jedem aufzwingen wird.

Durch ihre Entscheidung hat die russische Regierung sich einseitig aus dem langfristigen Friedensprozess zurückgezogen, dessen Aufgabe es war, die Wiederherstellung menschenwürdiger Lebensbedingungen in den Gebieten der selbsternannten „Republiken“ im Osten der Ukraine zu gewährleisten, die unter der bewaffneten russischen Aggression gelitten haben.

Der Krieg, der gegen unser Volk im Jahre 2014 entfacht wurde, hat tiefe Wunden in den Schicksalen vieler unserer Mitbürger hinterlassen: Tausende Getötete, Verletzte, Verwaiste und Hinterbliebene. Der gestrige Schritt des russischen Präsidenten hat die Grundprinzipien eines langen Friedenswiederherstellungsprozesses in der Ukraine vernichtet, neue Möglichkeiten für eine neue Welle militärischer Aggression gegenüber unserem Staat geschaffen und eine Tür für eine großflächige Militäroperation gegen das ukrainische Volk geöffnet.

Als persönliche Verantwortung und heilige Pflicht des ukrainischen Bürgers betrachten wir die Verteidigung der Heimat, unseres historischen Gedächtnisses und unserer Hoffnung sowie des uns von Gott gegebenen Existenzrechtes. Die Verteidigung der Heimat ist unser natürliches Recht und unsere Bürgerpflicht. Wir sind stark, wenn wir zusammenhalten. So ist jetzt die Zeit gekommen, um unsere Kräfte zur Verteidigung unserer Unabhängigkeit, der territorialen Integrität und der Souveränität des Ukrainischen Staates zu bündeln. Die tatkräftige Sorge für die Abwendung des Krieges und zur Bewahrung des gerechten Friedens ist heute Pflicht und Verantwortung der ganzen Menschheit.

Wir sind überzeugt, dass die Welt sich nicht entwickeln kann und keine Antworten auf Herausforderungen der Moderne finden wird, indem sie zu Gewalt greift und dabei auf universelle Werte und die Wahrheit des Evangeliums verzichtet. Wir rufen alle Menschen guten Willens auf, nicht vom Leid des ukrainischen Volkes wegzuschauen, welches durch die russische Aggression verursacht wird. Wir sind ein Volk, das den Frieden liebt. Und daher sind wir bereit, diesen Frieden zu verteidigen und voller Hingabe für ihn zu kämpfen.

Wir wenden uns heute im Gebet an den Schöpfer des Alls mit der Bitte um Weisheit für diejenigen, die berechtigt sind, gesellschaftlich wichtige Entscheidungen zu treffen, und in deren Händen heute das Schicksal der Menschheit liegt. Wir bitten unseren himmlischen Vater um Hilfe zur Wiederherstellung des gerechten Friedens.

Besonders beten wir heute für die Verteidiger der Ukraine, die uns in diesen Tagen als Beispiel einer selbstlosen Liebe und des hingebungsvollen Dienstes für das eigene Land dienen. Der barmherzige Gott möge sie vor allen Gefahren bewahren und ihre Mühen mit einem endgültigen Sieg der Wahrheit und des Guten entlohnen.

Wir erbitten den reichlichen Segen des liebenden Gottes und des Schöpfers für die Ukraine und ihr Volk!

Der Segen des Herrn komme auf Euch herab!

+ Svyatoslav