Osterbotschaft der Hierarchen der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche in Westeuropa

OSTERBOTSCHAFT

DER HIERARCHEN DER UKRAINISCHEN GRIECHISCH-KATHOLISCHEN KIRCHE
IN WESTEUROPA

Ihr Lieben in Christus!

Und sie sagten zueinander: Wer wälzt uns den Stein von dem Eingang des Grabes?
(Markus 16:3)

Die Myrrhetragenden Frauen, die Zeugen der Kreuzigung Jesu Christi waren, konnten nicht zustimmen, dass die Beerdigung so schnell stattfand, und sie hatten keine Zeit, den toten Körper des Heilands würdig zu salben. Darum, alsbald der Samstag vorbei war, eilten sie, die Myrrhe zu kaufen. Doch eine Frage quälte sie: Wer wälzt uns den Stein von dem Eingang des Grabes? Selbstverständlich, sie sind nicht in der Lage, damit fertig zu werden. Und das beunruhigte sie.

Aber sie gingen weiter. Gerade ging die Sonne auf. Nach der Dunkelheit des Karfreitags erschien ein Lichtschimmer. Dies war der erste Tag der Woche, an dem Gott das Licht schuf (vgl. Gen 1, 1-4). Und der Prophet Maleachi schrieb die folgenden Worte: „Für euch, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen, und in ihren Strahlen wird das Heil sein“ (Ml. 3,20). Das Problem mit dem Stein blieb weiterhin bestehen, jedoch schimmerte etwas in ihren Seelen auf und verlieh ihnen die Aufmunterung, zu ihrem Ziel zu gehen.
Als sie das Grab erreichten, konnten sie nicht aus der Bewunderung herauskommen: Der Stein war bereits weggewälzt! Und nicht nur das. Im Grab trafen sie einen Engel, der ihnen sagte: „Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier!“ (Markus 16:6). Es war eine solche Überraschung, dass sie zutiefst verlegen waren, um nicht zu sagen schockiert. Damit hatten sie nicht gerechnet: sie kamen, um den Leichnam Jesu zu salben, stattdessen erfuhren sie, dass er lebt.

Diese fröhliche Osterbotschaft verkündet die Kirche in den Osterstrophen, indem sie dem Engel folgende Worte in den Mund legt: „Warum sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Warum beweint ihr als Vergänglichen den Unvergänglichen? Geht hin und verkündet Ihn den Jüngern!“ (Engelschar). Sie kehrten zu den Jüngern Christi zurück und sagten zwar zunächst „aus Angst niemandem etwas“ (Markus 16,8), doch hörten sie dann auf den Engel und verkündeten den Aposteln, dass Christus von den Toten auferstanden ist. So wurden die Myrrhetragenden Frauen zu den ersten Verkünderinnen der Auferstehung Christi.

Wer wälzt uns den Stein von dem Eingang des Grabes?

Liebe Schwestern und Brüder!

Heutzutage, in Kriegszeiten, fühlen wir uns vielleicht genauso machtlos wie damals die Myrrhentragende Frauen. Wir wissen nicht, wer uns helfen wird, den Stein der Verwüstung, den Stein der Verzweiflung, den Stein des Schmerzes wegzuwälzen? Unser Volk verteidigt heldenhaft sein Land, seine Freiheit und seine Würde, aber – zugegeben – wir haben es mit einem mächtigen und heimtückischen Feind zu tun. Das Böse hat sein wahres Gesicht gezeigt und will uns Angst einjagen. Wir haben so viele Fragen und leben in ständiger Ungewissheit…
Wir müssen aber unser Blick auf den Lichtstrahl Christi richten. Das Licht blitzte auf, als Jesus aus dem Grab auferstand, die Sonne der Wahrheit erstrahlte und den Lauf der Geschichte veränderte. Obwohl der Herr seinen Tod und seine Auferstehung vorausgesagt hatte, haben damals die Jünger seine Worte noch nicht begriffen. Wir hören – ähnlich wie die Apostel – die Worte des Evangeliums: „Er ist auferstanden, Er ist nicht hier“ – das ist jedoch für uns schwer zu verstehen, wenn Raketen fliegen, Häuser zerstört werden, Menschen fliehen, Zivilisten erschöpft und getötet werden. Wir sehen keinen Lichtschimmer in der Dunkelheit von Aggression, Angst und Todesgefahr.

Ist das vielleicht eine Gelegenheit für uns, Werte neu zu überdenken? Denken wir darüber nach, wie wir bisher gelebt haben und was uns dieser Krieg gelehrt hat – wenn die Menschen alles verloren haben, ihre Häuser mit einem Bündel in der Hand verlassen haben, andere unter den Trümmern ihrer Häuser geblieben sind oder unbegraben auf den Straßen ukrainischer Städte und Dörfer liegen. Zweifellos bringt jeden von uns die aktuelle dramatische Situation dazu, sein Leben, seine Werte darin zu überdenken, Gott abermals an die erste Stelle zu setzen und die Liebe zu Ihm und unseren Nächsten als das Grundgesetz unseres täglichen Lebens zu bestimmen. Inmitten der unmenschlichen Umstände der russischen Militäraggression sind wir dazu berufen, Gottes Antlitz der Liebe und das Licht des ewigen Lebens, das aus dem Grab erstrahlte, zu offenbaren. Gerade die Auferstehung Christi verleiht uns diesen alten und zugleich neuen österlichen Blick auf unser gegenwärtiges Leben.

Wer wälzt uns den Stein von dem Eingang des Grabes?

Ihr Lieben in Christus! So wie die Sonne nach der Nacht aufgeht, der Frühling nach dem Winter kommt und ein neuer Mensch nach der Schwangerschaft geboren wird, so müssen wir jetzt auch glauben, dass, obwohl der „Stein vor dem Eingang des Grabes gewälzt wurde“ (Markus 15:46), wird er dort nicht auf ewig bleiben. Selbst wenn wir zum Grab des Herrn kommen, ohne zu wissen, wer den Stein wegwälzen wird, hegen wir eine lebendige Hoffnung in unseren Herzen, „denn bei Gott ist nichts unmöglich“ (Lukas 1,37). Glauben wir an den Sieg des Guten über das Böse, glauben wir, dass die gegenwärtigen Prüfungen uns stärker machen werden, glauben wir, dass der Herr uns in unseren Nöten und Sorgen nicht verlassen wird. Lasst uns nun unsere Beziehung zu Gott vertiefen.

Wir können dies tun, weil wir unsere Hoffnung nicht auf unsere Stärke oder die Leistungskraft von Waffen oder unser Schicksal setzen. Unsere Hoffnung ist im Herrn! „Durch Deine Auferstehung, Christus, hast Du die Hölle besiegt und den Menschen auferweckt, so lass uns mit reinem Herzen, Dich zu besingen und zu verherrlichen“ (Stimme 1, Lobesstichirion).

Wir richten an jeden einzelnen von Ihnen einen herzlichen Ostergruß, wir segnen Sie, Ihre Familie und Kinder. Mögen die Worte des auferstandenen Christus „Friede sei mit euch!“ Sie in dieser schwierigen Zeit und Ihr Leben lang begleiten.

Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!

+ Bischof Kenneth (Nowakowski)
Bischof der Eparchie der Hl. Familie in London

+ Dionisio (Lachovicz)
Apostolischer Exarch für Ukrainer in Italien

+ Bohdan (Dzyurakh)
Apostolischer Exarch für Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland und Skandinavien

+ Hlib (Lonchyna)
Apostolischer Administrator der Eparchie des Hl. Wolodymyr in Paris

+ Stepan (Sus)
Leiter der Kommission für Migration und Pastoral bei der Patriarchalkurie der UGKK

Gegeben zu München, Paris, Kyiv am IV (Jul. Kal.) / V (Greg.Kal. )
am Sonntag der Großen Fastenzeit, den 03. April 2022